In den letzten sechs Jahren erlebte der weltweite Aktienmarkt eine fulminante Ralley. Der DAX erholte sich in dieser Zeit von den Tiefs bei 4.000 Punkten Anfang 2009, bis hoch auf 12.000 Punkte und mehr in den letzten Monaten. Dies entspricht einem Plus von 200% innerhalb von sechs Jahren. Eine jährliche Rendite von etwa 20% wäre in diesem Zeitraum also durchaus realistisch gewesen.
Natürlich ist mir klar, dass wohl kaum einer genau das Tief getroffen haben wird. Worauf ich aber eigentlich hinaus will, ist die Tatsache, dass wir einige super Börsenjahre hatten in denen es kaum nennenswerte Rückschläge gab. In den letzten Jahren haben sich somit immer mehr Menschen für die Börse begeistert und angefangen ihr eigenes Geld zu investieren. Auf der Suche nach einer passenden Strategie stolperten somit immer mehr Anleger über Strategien wie die Dividendenstrategie oder langfristige ETF-Anlagen.
Ich finde es toll, dass immer wieder neue Menschen den Weg an die Börse finden und halte die beiden genannten Strategien für einen sehr guten Einstieg. Trotzdem versuche ich in meinem Blog immer wieder zu warnen und den Crash aus 2008 nicht komplett aus den Augen zu verlieren. Zum einen halte ich Diversifikation über verschiedene Anlageklassen immer noch für einen wichtigen Aspekt der aufgrund der Börsenerfolge in den letzten Jahren immer mehr in Vergessenheit gerät. Zum anderen beobachte ich immer häufiger eine gewisse „Selbstüberschätzung“, begründet in den „Erfolgen“ der letzten Jahre. Besonders jüngere Anleger, die beispielsweise den Kurssturz 2008 noch nicht miterlebt haben, werden von den nahezu rückschlagslosen Erfolgen der letzten Jahre verwöhnt.
Im langfristigen Mittel liegt die Gewinnerwartung von Aktien irgendwo im Bereich zwischen 7% und 13%. Diese Werte variieren je nach Studie, Region und Gewichtung. Irgendwo müssen diese Werte aber auch herkommen, oder kurz: Es kann nicht immer so weitergehen! Nur kurz zur Klarstellung, ich möchte keinesfalls vor einem großen Crash in naher Zukunft warnen. Ich weiß weder wann der nächste Crash kommt, noch weiß ich wie tief es dieses Mal gehen wird. Ich möchte nur immer wieder darauf hinweisen, dass das eigene Depot an die eigene Risikotragfähigkeit angepasst werden sollte. Bei einem Crash kann es eben schon mal 60% runtergehen. Ich kann dir nur raten, von Zeit zu Zeit einmal zu überprüfen, was ein solcher Drawdown in harten Euros gerechnet für dein Portfolio bedeutet.
So, jetzt aber genug gewarnt. Eigentlich geht es heute nämlich um etwas anderes: Ich möchte euch zwei „Missverständnisse“ bzw. „Risiken“ der Buy-and-Hold Strategie vorstellen.
Was bedeutet der Buy-and-Hold Ansatz?
Buy and hold (deutsch: Kaufen und behalten) ist eine Anlagestrategie, die darauf abzielt, Geldanlagen langfristig zu behalten. – Wikipedia
Es geht also darum, ETFs oder einzelne Aktien zu kaufen und zu behalten, um so langfristig vom Zinseszinseffekt und dem langfristigen Erfolg der Wirtschaft, bzw. Unternehmen zu profitieren. Häufig werden in diesem Zusammenhang weitere Aspekte der Finanzliteratur, wie z.B. die Effizienztheorie mit eingemischt. Nach dieser Theorie wäre der Einstiegszeitpunkt beispielsweise egal da wir sowieso nicht wissen, ob der Aktienmarkt kurzfristig eher hoch oder runter gehen wird. Darüber hinaus spiegelt der Markt die aktuelle, faire Bewertung der betrachteten Wertpapiere wider.
So kurz zur Theorie, ich möchte den Ansatz an dieser Stelle keinesfalls schlecht reden. Er hat definitiv seine Berechtigung.
- Smartbroker (Ab 0 Euro pro Order handeln)
- Trade Republic (Aktien & ETFs provisionsfrei handeln)
- Consorsbank (20 Euro für deinen ersten Sparplan geschenkt)
- comdirect-Depot (Mein kostenloses Allrounder-Depot)
- DKB-Cash (dauerhaft kostenloses, verzinstes Girokonto)
- Weltsparen (Automatisches Parken der Cash-Reserve)
Missverständnis 1: Die Buy-and-Hold Strategie als Legitimation „Mist“ zu kaufen
Kommen wir also zum ersten Missverständnis. Es gibt einfach Dinge die man unter Buy-and-Hold Gesichtspunkten nicht kaufen sollte. Beispielsweise irgendwelche Penny-Stocks oder Werte mit riesigen Dividendenzahlungen, die nur in den seltensten Fällen dauerhaft beibehalten werden können. Ein anderes Beispiel sind überbewertete Einzelaktien. Es ist richtig, dass ich nicht weiß wie weit eine Aktie noch steigt. Trotzdem behaupte ich, dass eine Aktie mit einem langfristigen durchschnittlichen KGV von 10 bei einem aktuellen KGV von über 25 einfach überbewertet ist. Sicher kann man mit dieser Aktie auch noch irgendwie Geld verdienen. In meinen Augen stimmt aber das Chance-Risiko-Verhältnis einfach nicht mehr. Oder anders ausgedrückt, es ist wahrscheinlicher mit dieser Aktie kein, oder nur wenig Geld zu verdienen, als dass sie durch die Decke geht.
Natürlich gibt es auch Ausnahmen von der Regel. Außerdem sind die genannten KGVs nur als Beispiel zu verstehen. Das KGV ist schließlich nur eines von vielen Puzzleteilen um den Wert einer Aktie, bzw. eines Unternehmens einzuschätzen. Dennoch geht es hier um das große Ganze.
Missverständnis 2: Die Buy-and-Hold Strategie als Legitimation „Mist“ zu behalten
Beim zweiten Missverständnis geht es um Werte die es bereits bis in das eigene Depot geschafft haben. Unabhängig davon, ob sie zum Kaufzeitpunkt eine gute oder eine schlechte Wahl waren, geht es nur um das hier und jetzt. Hat dieses Unternehmen in meinem Portfolio noch eine Perspektive? Wenn nein ist das Ende mit Schrecken definitiv die bessere Entscheidung.
Auch wenn die Strategie langfristig ausgelegt ist und sich Buy-and-Hold Strategie schimpft heißt das nicht, dass du dich nicht von schlechten Werten trennen darfst. Es ist keine „Verkaufen-Verboten-Strategie“. Immer wieder treffe ich Menschen deren Aktien mit 50% und mehr im Minus sind. Die Dividenden wurden mehrfach gekürzt oder sind sogar schon eingestellt worden aber trotzdem halten sie weiter an den Werten fest. Die Begründung lautet dann, du ahnst es schon: „Ich verfolge ja eine Buy-and-Hold Strategie, da muss man auch durch schlechte Zeiten durch“. Grundsätzlich richtig, doch ist es richtig in ein Unternehmen zu investieren dessen Kurs in diesem aktuellen Börsenumfeld so extrem schlecht läuft? Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich diese Haltung nicht verstehen kann. Raus damit und was Gescheites ins Depot, dieser Weg ist in meinen Augen der einzig Richtige in solchen Situationen.
Mein Fazit:
Ich kann dir nur raten, regelmäßig die Zusammensetzung deines Depots und vor allem auch die Zukunftsaussichten der einzelnen Werte genau unter die Lupe zu nehmen. Dabei geht es eben nicht darum, bei einem Umsatzeinbruch von 4% in Asien im ersten Quartal 2015 hin und her zu springen und die Aktien überstürzt zu verkaufen. Nein, das wäre auf keinen Fall Buy-and-Hold. Doch was ist, wenn der Burggraben wegbricht oder sich die gesamte Marktsituation drastisch geändert hat? Dann solltest du die Risiken in der Tat neu bewerten und unter diesen Gesichtspunkten prüfen, ob dieser Wert noch in dein Depot gehört oder nicht.
Ich hoffe es ist deutlich geworden, dass ich kein Problem mit der Buy-and-Hold Strategie an sich habe. Nein, ganz im Gegenteil ich verfolge ja selbst den Buy-and-Hold Ansatz in meinem Dividenden Depot bzw. mit meiner Dividendenstrategie. Mir geht es nur darum ein wenig zu sensibilisieren. Jede Strategie braucht ein Ausstiegsszenario in welchem eine Aktie verkauft wird. Auch eine Buy-and-Hold Strategie! Leider wird sie aber oft als Ausrede benutzt um die eigenen (Fehl-) Entscheidungen zu rechtfertigen oder zu begründen.
Wie siehst du das? Überprüfst du regelmäßig, die in deinem Depot enthaltenen Werte?
[ratings]
Michael C. Kissig meint
Toller Artikel, sehr anschaulich erläutert!
Ich habe nur einen Kritikpunkt zum zweiten Fall, denn da schreibst Du, es wäre keine gute Idee, an einer Aktie festzuhalten, die um 50% ins Minus gerutscht ist und man solle sie verkaufen. Diese Ansicht teile ich nicht. Der eigene Einstandskurs ist für die Einschätzung der künftigen Aussichten eines Unternehmens und somit seiner Aktien völlig irrelevant. Und wenn der Kurs um die Hälfte einbricht, bedeutet dies nicht, dass man das falsche Investment getätigt hat – das hat man, wenn sich die Fakten geändert haben oder man sich geirrt hat, das Unternehmen schlechtere Zahlen präsentiert als gedacht oder ähnliches. Der Kurs ist kein Gradmesser! Darf er nicht sein. Nicht für Langfristanleger und/oder Buy & Hold-Anleger. Den stürzt der Kurs ab, obwohl das Unternehmen hervorragend ist, bedeutet dies nur eine zusätzliche Unterbewertung. Und man MUSS zukaufen. Ansonsten läuft man nur der Herde hinterher und wird noch schlechtere Ergebnisse erzielen als der Durchschnitt. Also irgendwas unter 3% pro Jahr. Dann sollte man lieber ETFs kaufen und sich eine andere Beschäftigung für seine Zeit suchen.
Jan meint
Hallo Michael,
da hast du recht, ich habe mich vielleicht ein wenig zu drastisch ausgedrückt. Aber auf jeden Fall sollte man seine Anlagen und das gewählte Unternhmen in solch eine Situation auf seine Zukunftsaussichten überprüfen.
VG Jan
Arne Bratz meint
Hallo Michael,
ja, der aktuelle Kurs ist für langfristige Investoren kein Gradmesser. Ich halte aber einen Kursrücksetzer von z.B. über 50% für einen guten Zeitpunkt, zu überprüfen, ob es sich bei dem gewählten Unternehmen denn wirklich um ein gutes, für ein „Burggrabendepot“ geeignetes Investment handelt. (strategisch) Wenn „ja“ kann man die Position sicherlich behalten oder aber sogar vergrößern. (operativ) Wenn nicht, sollte man sich aber auch von dem Unternehmen konsequenterweise trennen. ( auch eine operative Frage, wie das am besten geht). Häufig kommen ja schlechte Kurse auch von schlechten Zahlen, die ein Unternehmen veröffentlicht hat. Eine Automatik, dass bei Kursrückgängen nachgekauft werden muss, zeugt von einer BIAS, der Investor will Recht behalten. Auch wundert es mich, dass Du von Jahresperformancen sprichst: als buy and hold Anleger mit langen Anlagehorizonten muss es dir doch vollkommen egal sein, ob es andere Marktteilnehmer in dem Geschäftsjahr gab, die mehr % gemacht haben als DU. Dein Ziel sind ja entweder die Div Einnahmen oder eben eine langfristige Kursentwicklung, die Du aber nur realisieren kannst, wenn Du dich von deinen Depotwerten trennst.
Dr. Jürgen Nawatzki meint
Wer weltweit anlegende Aktien-ETFs kauft, kommt gar nicht erst in Versuchung „Mist“ zu kaufen. Das kann einem nur passieren, wenn man in Einzelaktien investiert, was meines Erachtens für Kleinanleger allein schon auch aus Gründen der Diversifikation nicht sinnvoll ist. Und wenn man weltweit anlegende AKtien-ETFs gekauft hat bzw. in diese über einen Sparplan investiert, dann ist die langfristige Buy-and-Hold-Strategie das Beste, was man machen kann.
Alexander meint
Ich kann Jan nur zustimmen. Als ich meine, sagen wir mal, Strategie entwickelt habe, war eine der ersten Überlegungen, wann steige ich aus? Das ist eigentlich der wichtigste Aspekt überhaupt. Wenn es eine vorübergehende Schwäche ist, dann kann man auch mal aussitzen bzw. nachkaufen. Es ist nur verdammt schwer gerade am Anfang der eigenen Investmentkariere die nötige Distanz zu wahren und die Fakten nüchtern zu betrachten. Aber auch das kann man lernen.
Ric meint
Hallo Jan,
ich sehe das ähnlich wie du, man sollte die Buy and Hold Strategie nicht als Vorwand missbrauchen um einen Wert der sein Geschäftsmodell verloren hat, weiterhin im Depot zu behalten. Trotz alledem denke ich, dass die Buy and Hold-Strategie die richtige ist. Man muss die in die Wahl kommenden Werte gut Analysieren und nach einem wirklich nachhaltigem Geschäftsmodell suchen. Ein Geschäftsmodell das es auch noch in 100 Jahren geben wird. Für mich ist Union Pacific so ein Beispiel. Ein gut ausgebautes Streckennetz, weit aus billiger als LKW und eine gute Verbindung nach Mexiko, weiterhin ein tolles Dividendenwachstum und durch die Oligopol artige Struktur quasi keine gefährliche Konkurrenz.
Ich finde Warren Buffett trifft das Thema Buy and Hold mit seiner Geschichte der Familie Gotrock genau auf den Punkt. Da diese in seinem Brief an die Aktionäre 2006 auf Englisch ist habe ich diese mal übersetzt siehe hier:
Gruß Ric