Hast du eine feste Anlagestrategie an welche du dich hältst und nach welcher du regelmäßig handelst?
Je nachdem seit wann du dein Geld bewusst investierst, hattest du entweder schon einige Strategien davor oder es wird nicht deine Letzte sein. Zumindest stelle ich diese Behauptung einfach einmal auf. Das Finden der eigenen Anlagestrategie ist ein Prozess der nicht mit dem Lesen eines Buches abgeschlossen ist. Es gibt so viele unterschiedliche Aspekte die du betrachten und beachten solltest. Darüber hinaus hat jeder Anleger eine eigene Persönlichkeit die ebenso berücksichtigt werden will. Doch dazu später mehr.
Zuerst möchte ich dir kurz meinen eigenen Werdegang bezüglich meiner Anlagestrategie darstellen.
Mein Weg zu meiner Anlagestrategie
Alles fing damit an, dass ich zu meinem 18. Geburtstag im Jahr 2008 ein kleines Depot übernommen habe. Darin, einige Unternehmensanleihen. Ein glücklicher Zufall wie ich im Herbst 2008 noch feststellen sollte. Ich hatte also ein kleines Depot und freute mich an mehr oder weniger regelmäßigen Ausschüttungen von Anleihen die sicherlich ein wenig spekulativer waren, dafür aber noch echte Renditen von knapp unter 10% lieferten. Glücklicherweise hat es in der Krise keines meiner Unternehmen erwischt, so dass ich echt ziemlich unbeschadet (von zwischenzeitlichen Kurseinbrüchen einmal abgesehen) durch die Krise gekommen bin.
Irgendwann kommt in dem Alter aber natürlich der Punkt der totalen Selbstüberschätzung. Also habe ich angefangen zu traden. Gelockt durch einige „erfolgsversprechende Werbevideos“ habe ich von CFDs bis Forex gefühlt alles ausprobiert. Ich habe angefangen mir anhand historischer Daten auszurechnen wann ich die erste Million auf dem Konto habe und ab welchem Tag ich gar nicht mehr arbeiten muss. Bei den im Trading „prognostizierten“ Renditen war dieser Zeitpunkt bereits in naher Zukunft zu erreichen. Um die Geschichte ein bisschen abzukürzen: Ich arbeite immer noch…
Kleiner Einwurf: Ich bin nach wie vor fest davon überzeugt, dass Trading funktionieren kann. Einige der in 2009, 2010 gezeichneten Kursmarken werden durch die Kurse noch heute „berücksichtigt“.
Gott sei Dank hatte ich bei meinen Tradingaktivitäten den Fokus sehr früh auf mein Money Management gelegt. Aus diesem Grund bin ich im Großen und Ganzen ohne Gewinn und Verlust durch diese Zeit gekommen. Wobei Zeit ein gutes Stichwort ist denn davon habe ich Unmengen investiert (vergeudet).
- Smartbroker (Ab 0 Euro pro Order handeln)
- Trade Republic (Aktien & ETFs provisionsfrei handeln)
- Consorsbank (20 Euro für deinen ersten Sparplan geschenkt)
- comdirect-Depot (Mein kostenloses Allrounder-Depot)
- DKB-Cash (dauerhaft kostenloses, verzinstes Girokonto)
- Weltsparen (Automatisches Parken der Cash-Reserve)
Als nächstes erreichte mich das Buch von Gerd Kommer: „Souverän investieren*“. Ich fing also an mein eigenes Depot aufzubauen, schmiss alles was ich noch hatte über den Haufen und zog diese Anlagestrategie auch etwa zwei Jahre lang durch. Die Erfolge waren der Zeit (~2010/2011) geschuldet natürlich sehr gut.
Meinen letzten großen strategischen Umbruch hatte ich 2012. Ich weiß gar nicht mehr was der Auslöser war, ich würde fast sagen, dass es der DividendGrowthInvestor war. Auf jeden Fall begann ich meine eigene Dividendenstrategie zu entwickeln. Der Fokus lag auf der Dividendenkontinuität bei gleichzeitiger Berücksichtigung einiger Value-Kriterien aus dem Buch „The Intelligent Investor*“ von Benjamin Graham. Da ich den Bereich der Emerging Markets überhaupt nicht abschätzen kann habe ich seit dem parallel zu meinem Dividenden Depot einen Emerging Markets-ETF laufen.
Du siehst also, ich habe viel ausprobiert. Ich kann mir ehrlich gesagt auch nicht vorstellen, dass ich meine Anlagestrategie in dieser Form ein Leben lang beibehalten werde, Anpassungen werden immer mal wieder notwendig sein. Wobei die Phase des großen „Ausprobierens“ auch vorbei ist, komplette Richtungswechsel werde ich wohl nicht mehr vornehmen.
Die Entwicklung der Anlagestrategie ist ein Prozess
Doch warum ist das so?
Wenn wir mit etwas anfangen fehlt uns einfach die Erfahrung. Doch Erfahrung bekommen wir nur durch Ausprobieren. Wir müssen also mit irgendeiner Strategie anfangen und diese kennenlernen. Nach einiger Zeit entwickelt dieser Lernprozess ein „Eigenleben“. Mit den ersten Hochs und Tiefs und den ersten größeren Schwankungen lernen wir zum einen die Anlagestrategie, zum anderen aber auch uns selbst sehr viel besser kennen und können langsam einschätzen, ob die gewählte Strategie zu uns passt.
Je nach deiner Persönlichkeit kann die Strategie zu dir passen, oder aber eben auch nicht.
Ein kleines Beispiel: Es gibt im Urlaub Menschen für die ist das Aufstehen von der Liege schon zu anstrengend. Andere hingegen hetzen über Wochen von einer Attraktion zur nächsten. In Bezug auf den Urlaub hat so jeder seine Bedürfnisse und Vorlieben.
Gleiches gilt auch bei der Geldanlage.
Für den einen ist die Anlagestrategie perfekt so lange er am besten gar nichts tun muss, er will sich entweder gar nicht damit beschäftigen oder schafft es sich „emotional komplett von seinem Geld zu trennen“. Ein anderer hingegen braucht die Action, das Gefühl alles in der Hand zu haben und muss einzelne Werte selbst auswählen, bewerten und handeln.
Um es noch einmal kurz zu machen: Nicht jede Persönlichkeit ist für jede Anlagestrategie geschaffen. Im Grunde genommen gibt es zwei Punkte an denen Strategie und Persönlichkeit kollidieren: Risiko und Engagement
Risiko/Risikotragfähigkeit
Menschen haben ganz unterschiedliche Risikotoleranzen und reagieren in (finanziellen) Stresssituationen absolut unterschiedlich. Während der eine bei Verlusten von 30% alles verkauft und dem Aktienmarkt den Rücken kehrt reagiert ein anderer vielleicht überhaupt nicht auf einen solchen Verlust.
Engagement/Interesse
Einige Menschen werden nervös wenn sie fallenden Aktien hinterherlaufen. Sie brauchen die Kontrolle und zumindest das Gefühl etwas tun zu können. Sie handeln eher aktiv um schlechte Aktien zu verkaufen. Gleiches gilt für Menschen mit hohem Interesse, wer die Geldanlage zum Hobby erklärt beschäftigt sich gerne und ausgiebig mit Unternehmen und den Geschäftsberichten.
Welche Anlagestrategien gibt es?
Im Prinzip lassen sich drei grobe Richtungen unterscheiden: passiv, aktiv und Trading.
Die passive Anlagestrategie
Bei der passiven Geldanlage, meist abgebildet durch ETFs, wird die zugrundeliegende Strategie einmal bestimmt und im Idealfall gar nicht mehr verändert. Feste Ein- und Ausstiegspunkte werden festgelegt und unabhängig vom Tagesgeschehen einfach (ab)gehandelt. Sie ist die einfachste weil keine Entscheidungen mehr getroffen werden müssen. Häufig werden ETFs mit dem Ziel sie „für immer“ zu halten gekauft. Wer beispielsweise einmal einen Sparplan eingerichtet hat und diesen Monat für Monat automatisch ausführen lässt, muss nicht mehr darüber nachdenken, welche Aktie als nächstes gekauft werden soll. Ziel der passiven Geldanlage ist es, langfristig eine Rendite zu erwirtschaften die dem Erfolg eines Vergleichsindizes entspricht.
Ein Beispiel für die passive Geldanlage wäre zum Beispiel meine Quick-and-Dirty Strategie.
Die aktive Anlagestrategie
Bei der aktiven Geldanlage werden die Anlageinstrumente nach bestimmten Kriterien immer wieder neu ausgewählt. Auf sich ändernde Marktbedingungen wird durch Käufe oder Verkäufe reagiert. Einzelne Aktien oder ETFs werden je nach Situation bewusst ausgewählt. Das Ziel der aktiven Geldanlage ist es, besser als der Marktdurchschnitt zu sein und eine „Überrendite“ gegenüber der Marktrendite zu realisieren.
Ein Beispiel für die aktive Geldanlage sind zum Beispiel Dividendenstrategien.
Trading
Der Trading-Begriff ist ein sehr weitläufiger und schwer zu definieren. Beim Day-Trading, also dem täglichen Handel an der Börse ist die Situation noch klar. Beim Positionstrading bei welchem Positionen auch über mehrere Jahre gehalten werden, ist der Übergang zur aktiven Geldanlage fließend. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass Trading funktionieren kann. Es kostet aber viel Zeit, benötigt viel Kapital und ist nicht für jeden geeignet.
Welche Anlagestrategie verfolgst du?
[ratings]
Julia (Finanzblogleserin) meint
Hallo,
wie wahr, man wird wohl kaum ein Leben lang bei der gleichen Anlagestrategie bleiben. Ich habe seit Ende 2013 (dem Beginn meiner Anlagekarriere) auch schon die ein oder andere kleine Korrektur vorgenommen. Nicht so spektakulär wie du, sondern: Ich hatte mal eine kleine Position eines Dividenden-ETFs, den hab ich nach ein paar Monaten wieder verkauft (weil zu speziell, mit 30 Unternehmen nicht breit genug gestreut). Oder P2P-Kredite fand ich eine Weile ganz toll, dann war mir das zu spekulativ und unseriös und jetzt vor kurzem habe ich doch wieder ein wenig (Spiel-)Geld in dem Bereich investiert.
Ein Großteil meines Geldes steckt aber ganz „langweilig“ und passiv in einem einfach gestrickten 3-ETF-Portfolio und wird wohl auch noch eine ganze Weile dort bleiben.
Jan meint
Hallo Julia,
ETFs sind im Moment für Privatanleger wahrscheinlich wirklich das Beste. Doch wer weiß wie das in 10 Jahren sein wird. Also vor 10 Jahren hat noch keiner von ETFs gesprochen 😉
VG
Dummerchen meint
Ja, die Produkte ändern sich. Die Prinzipien bleiben aber die gleichen. Wer früher zur Streuung auf aktiv gemanagte Fonds gesetzt hat, hat mit ETFs nun ein günstigeres Produkt zur Hand. Auch der reine Aktienkauf ist durch die Verfügbarkeit des Internets und Onlinebroker viel leichter geworden.
Im Grund hat das Internet und die damit verbundene Verfügbarkeit von Informationen viele Anlageformen einer breiteren Masse von Anlegern näher gebracht. Ich denke aber nicht, dass sich die Anzahl sinnvoller Anlagevehikel großartig ändern wird: Cash, Anleihen (bzw. Festgelder/Sparbriefe bei Banken), Immobilien, Rohstoffe, Aktien. Das gab’s vor zig Jahren schon und wird wohl auch in der Zukunft so bleiben. Entweder ich investiere in Unternehmen, verleihe mein Geld/mein Haus/meine Wohnung oder spekuliere auf Preisänderungen. Alles andere sind Derivate, die auf diesen Prinzipien beruhen.
(ETFs gibt’s übrigens schon seit 2000. Das Anlagevolumen ist allerdings nicht vergleichbar mit dem heutigen gewesen.
LG
Dummerchen
PS: Habe mit globalen Aktienfonds begonnen, als es zwar ETFs schon gab, sie mir allerdings noch nicht als vorteilhaft bewusst waren. Das hat sich mittlerweile geändert und ich vermute, dass ich bei ETFs bleiben werde. Zum Trader oder aktiven Investor werde ich wohl nicht mehr werden.
Jan meint
Hallo Dummerchen,
da hast du vollkommen Recht. Ich denke aber dieses Ausprobieren und kennenlernen der Strategie und der eigenen Persönlichkeit ist eine ganz normale Geschichte.
Im Moment beobachte ich häufig, dass Leute sich neu mit Aktien und ETFs beschäftigen. Dann Selbstbewusst sagen: „Ich mache Buy and Hold für immer und ewig“. Und ihr ganzes Geld in Aktien stecken. Und nach den letzten Tagen an denen es mal ein bisschen runter ging überlegen sie ob sie wieder aussteigen!!!!
Ich vermute die Hälfte wird irgendwann die „zweite Telekom erleben“. Also im nächsten Crash alles verkaufen und nie wieder auftauchen. Die andere Hälfte merkt es hoffentlich vorher und passt die Strategie rechtzeitig an.
VG
jan
Dummerchen meint
D’accord! Insbesondere „ihr ganzes Geld in Aktien stecken“ sehe ich als Problem an. Ich erlebe es ja an mir – bald läuft wieder ein Festgeld aus und der Blick auf die aktuellen Zinsen treibt auch mir die Tränen in die Augen. Trotzdem werde ich nicht meinen Aktienanteil erhöhen. Das ist halt das wichtige an einer Strategie – man muss sie auch konsequent verfolgen, sonst hat man keine.
Hoffen wir mal, dass der nächste Crash nicht wieder zu solchen Aktienphobien führt.
LG
Dummerchen
Jan meint
Sehe ich genau so auch wenn es einem manchmal schwer fällt 😉
self.Made.Rich meint
Hallo Jan,
ich gebe Dir vollkommen recht, die Anlagestrategie verändert sich mit der Zeit und variiert je nach Erfahrungsschatz, eigenen Präferenzen und Persönlichkeit. Egal welche Strategie man sich aber zurecht legt, am wichtigsten ist, dass man eine hat und somit aktiv wird und etwas aus seinem Kapital macht. Es ist also ganz egal, ob man jetzt auf aktives, passives Investieren oder aufs Traden baut. Jede Strategie hat ihre Berechtigung und mit jeder Strategie sammelt man wertvolle Erfahrungen. Ich denke auch, dass selbst ein Scheitern der eigenen Strategie am Ende positive Resultate erzeugen wird, indem man notwendige Schlüsse ziehen kann. Falsch macht man nur dann etwas, wenn man gar nichts macht.
In diesem Sinne, bleibt investiert!
SMR
P.S.: Ich selbst kombiniere übrigens Deine Quick-and-Dirty-Strategie mit diversen aktiven Methoden – man kann also auch mehrere Strategien auf einmal anwenden 🙂
Jan meint
Hallo self.made.
genau so sieht es aus. Wer überhaupt etwas tut ist schon besser als 90% 😉